Page 21 - Haustex_07-08/2020
P. 21

Interview des Monats
             Haustex: Welche Aussagekraft steckt darin ? Was kann dieser Wert leisten ?
Thomas: Das lässt sich mit einem Akti- enindex vergleichen. Viele Produkte im Bettenbereich sind in der Vergangenheit immer auf einen Punkt hin optimiert worden. Es gab Produkte, die haben den Druck in den Vordergrund gestellt, an- dere die Atmungsaktivität und so weiter. Alle haben eine gewisse Wirkung. Wenn ich alles ausbalancieren will, um eine ge- samte Lebensgefühlverbesserung zu er- reichen, brauche ich einen Gesamtindex- wert, der ähnlich wie ein Aktienindex ei- ne Mischung darstellt. Der Wert gibt uns die Chance, eine ganzheitlich ausbalan- cierte Lösung zu finden. Es ergibt keinen Sinn, wenn beispielsweise das Schwitz- verhalten in der Nacht optimiert ist, aber die Wirbelsäule durchhängt. Oder die Gesamtlagerung der Hals/Nacken-Partie wird durch eine entsprechende Schulter- zone optimiert, aber die Beine liegen viel zu schief. Wir wollten eine Art Ausbalan- cierung zwischen Zielkonflikten errei- chen.
Tost: Das ist der eine Punkt. Wir haben außerdem nach etwas gesucht, was ein Produkt nicht aufgrund seiner technisch messbaren Eigenschaften bewertbar macht, sondern aufgrund seiner Wirkung, für die es produziert worden ist. Wenn ich in einem technischen Prüflabor die Ei- genschaften einer Matratze untersuche, kann ich mir zig Kriterien aussuchen, um diese zu bewerten. Das ist aber immer eine Bewertung, die ohne denjenigen er- folgt, der darauf viele Jahre lang liegt. Wir haben uns gefragt: Welche Empfehlung hat für den Verbraucher einen wirklichen Wert ? Das ist ein völlig anderer Fokus als in einem technischen Prüflabor. Das Ein- zige, um das es wirklich geht, ist die Fra- ge: Was bringt das Produkt dem Nutzer ?
Thomas: Eine mechanische Prüfung ist ein Aspekt. Es soll mir aber niemand erzählen, dass eine mechanische Prüfung der einzi- ge Aspekt zur Bewertung eine Bettes und der daraus resultierenden Schlafqualität sein kann. Mechanische Tests haben ihre Berechtigung. Mein Problem ist, dass da- bei die Auswirkungen des Gesamtproduk-
sn-home.de
tes im Schlafzimmer der Menschen außen vor bleibt.
Tost: Ich habe da noch ein schönes Bei- spiel: Jedes Auto, das zugelassen wird, be- kommt einen TÜV-Stempel. Das ist die technische Prüfung. Wie sich das Auto in Wirklichkeit verhält, zeigt aber eigentlich die ADAC-Pannenstatistik... Im Prinzip haben wir mit unserer Studie die Pannen- statistik auf das Bett übertragen.
Haustex: Lässt sich denn überhaupt mit objektiven Kriterien prüfen, was vom Schla- fenden subjektiv über viele Jahre in seinem Schlafzimmer erfahren wird ?
Thomas: Wer das herausfindet, kann sehr reich werden! Es ist eine Grundsatzfrage von Tests. Meine Hauptforderung an je- des Testlabor: Legt bitte exakt offen, nach welchen Kriterien was getestet wird. Nur dann kann ich entscheiden, ob das Ergeb- nis eines Tests für mich eine Relevanz hat. An jeder Uni, bei jeder wissenschaftlichen Arbeitistvölligklar,dassdieDefinitionder Testkriterien das Ergebnis bestimmen. Al- so: Karten auf den Tisch – jeder soll klar sagen, was er getestet hat. Dann kann man darüber reden.
steigt seine Schlafzufriedenheit. Denn Schmerzen und Schlafzufriedenheit kor- relieren sehr stark – wer Schmerzen hat, schläft schlecht. Und wer keine hat, schläft deutlich besser. Oder nehmen Sie das The- ma Schwitzen: Nehmen wir an, Sie haben ein Material, das keine Atmung zulässt und den Schweiß nicht absorbiert – darauf wird man schlecht schlafen. Wenn Sie ein Mate- rial nehmen, dass auch im Sommer dafür sorgt, dass man nicht so viel schwitzt, wird sich auch der Schlaf verbessern. Es gibt un- ter diesen ganzen Einflussgrößen vielleicht vier oder fünf, die man halbwegs in der Ba- lance halten muss. Und hier sind wir auch wieder bei der Stiftung Warentest oder an- deren Prüfinstituten: Eine rein mechani- sche Testung ist ein Segment unter vielen. Aber die Mechanik allein reicht nicht aus, um in der Gesamtheit ein gutes Ergebnis zu produzieren.
Tost: Getestet werden dort Materialeigen- schaften, aber nicht die Wirkung der Pro- dukte.
Thomas: Es werden Menschen im Labor auf Matratzen gelegt, die dann nach zehn Minuten entscheiden dürfen, ob sie gut ge- legen haben – das ist alles.
„Es ist gerade jetzt wichtig, sich mit selbstbewussten Botschaften vom Wettbewerb abzuheben.“
Haustex: Welche Testparameter sind denn aus Ihrer Sicht entscheidend ?
Thomas: Ich glaube, dass der Schlaf eine multioptionale Einwirkungsgröße hat. Er wird von ganz vielen unterschiedlichen Faktoren beeinflusst, vom Schwitzen über die Psychologie, die Ergonomie oder den Stress bis zu Schmerzen. Wir wissen, dass es Kriterien gibt, die stärker wirken als an- dere. Unsere Schlafstudie zeigt deutlich: Wenn es gelingt, ein System oder ein Bett zu schaffen, das in der Lage ist, einen ein- zelnen Menschen in der Individualität sei- ner Probleme schmerzfrei zu lagern, dann
Tost: Ich möchte aber betonen, dass unser Ansatz nicht ist, das Prüfsystem anderer zu kritisieren. Unser Ansatz fragt: Wie schla- fen Menschen auf den Produkten ? Punkt. Das ist das Entscheidende, und das haben wir im RSTB-Index versucht, vergleichbar auszudrücken. Unser Fragebogen ist im übrigen kein Geheimnis, den kann jeder einsehen. Die Datenerhebung steht jedem zur Verfügung, die legen wir offen.
Haustex: Die gesamten Daten und de- taillierten Erkenntnisse müssen auch den Endkunden vermittelt werden, die sich zu- meist gar nicht so intensiv mit den ge- 
Haustex 7-8/2020 21
















































































   19   20   21   22   23