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 Zukunftsthema Schlafen
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Haustex 5 / 2020
raumausstattung.de
einen einzigen Lehrstuhl für Schlafmedi- zin in Deutschland! Die meisten Schlaf- mediziner in Deutschland sind Lungen- ärzte. Sie haben bei der Behandlung nicht atmungsbezogener Schlafstörungen, also der klassischen Insomnie, keine prakti- sche Ausbildung. Das jedoch ist etwas, was in die Hände von Psychiatern, Psycholo- gen oder Neurologen gehört.
Gesundheit und unser seelisches Wohl- befinden, deshalb ist es gut und wichtig, dass wir uns mit ihm beschäftigen. Es gibt keine neurologische und keine psychiat- rische Erkrankung, bei der nicht eine Ver- änderung des Schlafverhaltens auch ein Schlüssel in der Behandlung ist.
Haustex: Wer heute etwas auf sich hält, en- gagiert einen Schlafcoach. Außer als Spit- zensportler: Braucht man den, um zu gu- tem Schlaf zu kommen ?
Vorster: Ein gesunder Mensch braucht keinen Schlafcoach. Es gibt sehr gute Bü- cher, wenn man sich mit dem Thema be- schäftigen möchte. Wer unter Schlafstö- rungen leidet, benötigt einen Schlafmedi- ziner. Den zu finden ist nicht ganz einfach, aber es gibt auf der Website schlafgestört. de oder der Seite der DGSM viele Ad- ressen, die qualifizierte Hilfe bieten. Bei Hochleistungssportlern ist ein Schlaf- coach sinnvoll, weil Schlaf für sie eine ganz wichtige Phase der Regeneration ist.
Haustex: Apropos Bücher: Ihres trägt den Titel „Warum wir schlafen“. Also: Warum schlafen wir ?
Vorster: Schlafen ist wie Waschen, Schnei- den, Legen. Im Schlaf wird das Gehirn tatsächlich durchgewaschen. Dabei ver- größert sich der Raum zwischen den Ner- venzellen um sage und schreibe 60 Pro- zent! Bei diesem Waschvorgang werden Proteinreste weggespült, etwa solche, die mit Alzheimer oder Parkinson in Verbin- dung stehen. Wenn wir ein paar Tage nicht schlafen, bekommen wir zwar nicht gleich Alzheimer. Aber Schlaf ist einer der Um- weltfaktoren, der die Entwicklung einer neurodegenerativen Krankheit gegebe- nenfalls begünstigt oder abbremsen kann.
Haustex: Bleiben noch Schneiden und Le- gen.
Vorster: Im Schlaf werden die Verbindun- gen zwischen den Nervenzellen zurückge- stutzt, etwa so wie ein Obstbaumschnitt im Frühjahr, so dass am nächsten Tag wieder neue Kontakte ausgebaut werden können. Das Gehirn funktioniert nur in einem aus- balancierten Verhältnis von hemmenden
und erregenden Nervensignalen: Lernen bedeutet, Nervensignale zu stärken oder abzuschwächen. Wir gefährden damit zwangsläufig die Balance. An dieser Stel- le spielt der Schlaf eine Rolle, das Gleich- gewicht wieder herzustellen, so dass wir neue Inhalte aufnehmen und integrieren können. Im Schlaf speichern wir nicht nur besser ab, sondern wir verknüpfen neu gelernte Gedächtnisinhalte mit dem vor- herigen bestehenden Wissen. Wir werden tatsächlich klüger im Schlaf.
Haustex: Wie definieren Sie guten Schlaf ?
Vorster: Er muss ungestört sein. Das be- deutet vor allem, keine Störung durch ei- nen selbst – durch das Schnarchen, die Schlafapnoe, die Atemaussetzer. Sie lassen einen Menschen fünf, zehn oder sogar bis zu 40 Mal pro Stunde wach werden und zer- stören die Schlafstruktur. Wichtig ist auch, möglichst entspannt ins Bett zu gehen. Je entspannter wir in den Schlaf hineingehen, desto stärker lässt sich der Körper fallen. Es kommt seltener zu kurzen Wach-Momen- ten und wir schlafen tiefer. Die absolute Dauer des Schlafes ist nicht allein entschei- dend, sondern auch die Schlafqualität. Und die können wir maßgeblich mit unseren Lebensgewohnheiten beeinflussen.
Haustex: Zur Schlafqualität trägt auch die Bettausstattung bei. Es gibt jedoch Schlaf- forscher die sagen, dass die Matratze für den guten Schlaf gar nicht so entscheidend sei. Welche Rolle spielt sie aus Ihrer Sicht ?
Vorster: Eine gut auf den Körper abge- stimmte Matratze spielt eine wichtige Rolle. Studien zeigen, dass der Schlaf von Menschen, die ohne Matratzen schlafen, kürzer ist und deutlich häufiger mit Stö- rungen einhergeht. Sobald ich auf der Er- de liege bilden sich Druckstellen. Das führt dazu, dass ich häufiger wach werde, weil mir irgendwas weh tut und ich mich um- lagern muss. Je besser also eine Matratze ist und mich von allen Seiten trägt, desto seltener muss ich mich drehen, desto tie- fer und ungestörter schlafe ich.
Haustex: Was heißt das für den Endver- braucher, der sich einem Überangebot an Matratzen ausgesetzt sieht ?
 Je besser eine Matratze ist und mich von allen Seiten trägt, desto seltener muss ich mich drehen, desto tiefer und ungestörter schlafe ich.
Haustex: Hat der gute, gesunde, ausrei- chende Schlaf keine Lobby ?
Vorster: Überhaupt nicht!
Haustex: Aber der Schlaf gilt doch aktuell
als eines der großen Lifestyle-Themen...
Vorster: Schlaf ist definitiv ein trendiges Thema, und das freut mich sehr. Früher wurde immer von der Work-Life-Balance gesprochen. Ikea hat daraus den Slogan der Work-Life-Sleep-Balance gemacht. Das finde ich gut, denn von unseren drei wichtigsten Tätigkeiten hat der Schlaf den größten Anteil. Er ist essentiell für unsere











































































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