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BELAG + TECHNIK
 Podiumsdiskussion: Vom nachhaltigen Produkt zum Fußboden im Gebäude „Nachhaltigkeit ist komplex“
Um es vorwegzunehmen: Die diesjährige Podiumsdiskussion machte die Komplexität von Nachhaltigkeit deutlich. Einigkeit gab es dazu, dass häufig nachhaltige Produkte gefordert werden, die aber nicht automatisch ein Gebäude nachhaltig machen. Die Industrie möchte deshalb Gebäudezertifizierer für Bodenprodukte sensibilisieren und auf europäischer Ebene eine Definition von Nachhaltigkeit im Bauwesen einfordern.
 Die Moderation der Podiumsdiskussion über- nahmen Dr. Martin Schäfer (Wakol) und der TKB-Vorsitzende Dr. Norbert Arnold (Uzin Utz). Teilnehmer waren Michael Schmid (Jaso und Trumpf), Daniel Wiegel (Gerflor), Udo Herrmann (Handwerk), Hartmut Urbath (PCI Gruppe) und Dr. Frank Gahlmann (Stauf).
Handwerker Udo Herrmann sorgte gleich zu Beginn der Nachhaltigkeitsdiskussion für eine Desillusionierung: „In den 23 Jahren meiner Selbstständigkeit hat ein Kunde bei mir noch nie einen nachhaltigen Parkettboden angefragt.“ Nach seiner Erfahrung möchten Kunden einen Bodenbelag, der zu ihnen passt. Das könne bei- spielsweise ein hochwertiges Parkett sein, das mit einer fachgerechten handwerklichen Leis- tung eingebaut wird. Wichtiger als eine Parkett- Marke sei in der jeweiligen Region die „Marke“ des Handwerksbetriebs – in diesem Fall Parkett Herrmann.
Parketthersteller Michael Schmid beschäftigt sich bei seinen eigenen Nachhaltigkeitsbestre- bungen in erster Linie mit der Frage: „Woher stammt das Holz ? Ist es PEFC- oder FSC-zerti- fiziert ?“ Für ihn als Hersteller sei es auch wich- tig, wie viel CO2 seine Parkettprodukte in einem Gebäude speichern. Schmid betonte, dass die Komplexität von Nachhaltigkeit enorm sei.
Daniel Wiegel, Leiter der Anwendungstechnik beim elastischen Bodenbelagshersteller Gerflor, erhält in seiner täglichen Praxis Anfragen vom Großhandel, von Bodenlegern und von Endver- brauchern. Sie fragen nach Siegeln wie Blauer Engel und Eurofins Gold bei Produkten und seien manchmal überrascht, dass Gerflor „seit den frühen 1990er-Jahren bereits PVC-Beläge in Troisdorf recycelt.“ Manchmal werden auch Ge- bäude-Zertifikate wie solche von der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB) für Produkte angefragt. Er müsse dann erklären, dass es diese nicht gibt: An dieser Stelle wird der
Teilnehmer der Podiumsdiskussion waren: Daniel Wiegel (Gerflor), Michael Schmid (Jaso/Trumpf), Dr. Martin Schäfer (Wakol), Hartmut Urbath (PCI Gruppe), Dr. Frank Gahlmann (Stauf), Udo Herrmann (Herrmann Parkett) und Dr. Norbert Arnold (Uzin Utz).
Spagat zwischen Produkt und Gebäude deutlich. Hier sah Wiegel Ansatzpunkte für mehr Aufklä- rungsarbeit.
Aus dem Publikum kam die Frage, ob Kom- pensationszahlungen ein sinnvolles Maß für Nachhaltigkeit sein können. Dr. Martin Schäfer, Geschäftsführer beim Verlegewerkstoffhersteller Wakol, vertrat die Ansicht, dass Produkte durch Kompensationszahlungen nicht anders werden, weil die Aufforstungen und Pflanzungen nicht kausal zu den Produkten seien. Hartmut Urbath von der PCI Gruppe formulierte es ganz pragma- tisch: „Es ist eine Art der Wiedergutmachung für den Umweltschaden, den ein Produkt anrichtet. Man tut auf der anderen Seite etwas Gutes für die Natur, damit sich das wieder ausgleicht in der CO2-Bilanz.“
Die Teilnehmer der Podiumsdiskussion grif- fen eine weitere Frage aus dem Publikum auf: Gibt es Berechnungen eines geklebten Parketts (mehrfach renovierbar) im Vergleich zu einem eingeschränkt renovierfähigen, schwimmend verlegten Parkett ? Verleger Udo Herrmann be- richtete, dass schwimmend verlegte Beläge in der Regel zum Einsatz kommen, wenn ein Kunde Geld sparen möchte. Häufig schlage der Kunde dann nicht beim Parkettleger auf, sondern im
Baumarkt. Wer zum Parkettleger kommt, möchte einen langlebigen, wertigen Fußboden, der dann auch verklebt wird. Udo Herrmann beklagte sich dagegen über mangelhafte Beläge aus Fernost, die nicht als solche gekennzeichnet seien. Aus seiner Sicht sei es nur sinnvoll einen Bodenbelag fest zu verkleben, der dauerhaft funktioniere und dadurch schon nachhaltig sei.
Dr. Frank Gahlmann knüpfte in diesem Zu- sammenhang abermals an die Komplexität von Nachhaltigkeit an. „Bei verklebtem Parkett und LVT kann die Vorlauftemperatur von Fußboden- heizungen gesenkt werden. Wenn ich Parkett kle- be, brauche ich vielleicht nur 8 mm Parkettdicke, vielleicht auch nur 6 mm. Ist das in Bezug auf Nachhaltigkeit gut oder schlecht ?“ Oder anders formuliert: „Sollen wir mehr Holz einbauen, weil es CO2 speichert oder weniger Holz, weil es die Ressourcen schont ?“ Darauf gibt es aktuell kei- ne Antwort, ist Dr. Gahlmann überzeugt. Er forder- te, dass der Mehrwert der Verlegewerkstoffe als Nachhaltigkeitsleistung analysiert werden müsse. Hartmut Urbath will sich dafür einsetzen, dass Verlegewerkstoffe im Gebäudezertifizierungs- system berücksichtigt werden, damit der Planer auf diese Punkte für seine Gebäudezertifizierung sammeln kann – ansonsten seien die Bemühun- gen der Bauchemie „brotlose Kunst“.
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