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 FISCHEREIPOLITIK
  »Im Juni 2018 wurde ein Abkommen zur Verhinderung der unregulierten Hochseefischerei im zentralen Arktischen Ozean veröffentlicht.
und in den angrenzenden Meeren nachgewiesen, von denen aber nur 58 fischereilich genutzt werden. Die meisten davon leben in subarktisch­borealen Gebieten wie der Barentssee, dem Beringmeer oder den Gewässern vor Grönland. Außerdem kommen in diesem Gebiet 67 Säugetierarten an Land und 35 im Meer vor, 154 Arten von Süßwasser­ und 45 Meeres­ vogelarten brüten in der Arktis. Die Gesamtzahl der wirbellosen Meerestiere wie Seeigel, Borstenwürmer, Muscheln und Krebse soll sich auf mindestens 5.000 belaufen.
Boreale Fischarten dringen weiter nach Norden vor
Als der zentrale Arktische Ozean noch das ganze Jahr über mit Eis bedeckt war, gab es in diesem Seegebiet praktisch keinerlei Fischerei. Infolge des Klimawan­ dels könnten jedoch in absehbarer Zeit zumindest zeitweilig weite Teile dieses Gebietes für die Fischerei zugänglich werden. Unter Wissenschaftlern herrscht Konsens darüber, dass der Klimawandel zu einer Stei­ gerung der Produktivität in der Arktis führt und dass mit zunehmender Temperatur eine „Borealisierung“ der arktischen Artengemeinschaft eintritt. Was letztlich bedeutet, dass sich einige Fischarten wie Polardorsch (Boreogadus saida) und Capelin (Mallotus villosus), der Navaga (Eleginus nawaga) und die Arktische Flun­ der (Liopsetta glacialis) im Gebiet weiter ausbreiten. Der Polardorsch ist zwar von geringem kommerziellen Interesse, spielt jedoch aufgrund seiner enormen Bio­ masse (der Bestand umfasst etliche Millionen Tonnen) in der arktischen Nahrungskette eine zentrale Rolle. Das gilt auch für den Capelin, dessen Bestand sehr
Die Eismeergarnele (Pandalus borealis) scheint zu den Verlierern zu gehören, diese arktisch-boreale Art ist in den letzten Jahren zurückgegangen.
stark schwankt und der als Nahrung für den arktischen Kabeljau außerordentlich wichtig ist. Aus wirtschaftli­ cher Sicht könnte der Kabeljau der Hauptprofiteur des Klimawandels in der Region sein. Schon jetzt dringt diese Fischart – getrieben vom wärmer werdenden Wasser im Süden des ursprünglichen Verbreitungsge­ bietes – immer weiter in arktische Gewässer vor. In der Barentssee verlagert sich die Kabeljaufischerei zuneh­ mend von den norwegisch­russischen Küsten nach Spitzbergen im Norden und Nowaja Semlja im Osten. Nach wissenschaftlichen Prognosen sollen die poten­ ziellen Fänge der nordatlantischen Fischarten bis zum Jahr 2050 um 20 bis 30% zunehmen.
Übertriebener Optimismus wäre jedoch verfrüht, denn die Vorhersage der Wissenschaftler enthält noch Unsicherheiten. Die Ausweitung des Kabel­ jaubestandes in die Hocharktis birgt zum Beispiel das Risiko, dass die traditionellen Laichplätze der Fischart verloren gehen, und die arktischen Küs­ ten bieten kaum adäquate Laichgründe, zumal dort möglicherweise die benötigte Planktonnahrung für den Kabeljaunachwuchs fehlt. Bei vielen Fischarten ist derzeit schwer absehbar, ob sie zu den Gewinnern oder Verlierern der Klimaveränderungen zählen. Das betrifft zum Beispiel den arktischen Schellfisch (Me­ lanogrammus aeglefinus), Seelachs (Pollachius vi­ rens) und die Rotbarsche (Sebastes mentella und S. marinus), den Grönland­Heilbutt (Reinhardtius hip­ poglossoides), die Wolffischarten (Anarhichas lupus, A. minor und A. denticulatus) sowie die Europäische Scholle (Pleuronectes platessa). Heringe könnten zu den Gewinnern gehören, denn norwegische Früh­ jahrslaicher dringen seit 2012 im Sommer bereits bis Spitzbergen vor. Die Eismeergarnele (Pandalus bore­ alis) scheint hingegen zu den Verlierern zu gehören, diese arktisch­boreale Art ist in den letzten Jahren zurückgegangen. Nicht nur durch Überfischung und starke Bestände ihrer Fressfeinde, sondern teilweise wohl auch aufgrund der zunehmenden Erwärmung.
 Aus wirtschaftlicher Sicht könnte der Kabeljau ein Hauptprofiteur des Klima- wandels sein, die Fischart dringt immer weiter in die nunmehr wärmeren arktischen Gewässer vor.
64 FischMagazin 11/2021
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