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 Eisdecke profitieren, weil sich dadurch neue wirt­ schaftliche Möglichkeiten bieten. Schiffstransporte auf der Nordpassage durch die Arktis verkürzen die Seewege, Öl­, Gas­ und Mineralressourcen am Mee­ resboden werden zugänglich und die Produktion in der Forstwirtschaft und Fischerei dürfte zunehmen. Die Begehrlichkeiten wachsen, denn das Arktisgebiet ist für viele Staaten im Hinblick auf die natürlichen Ressourcen und den Seeverkehr von strategischem Interesse. Im gleichen Maße wachsen aber auch die Befürchtungen. Bereits die Ankündigung von Erkun­ dungsbohrungen in der Arktis hat Umweltaktivisten alarmiert und heftige Proteste ausgelöst.
Arktische Fischarten werden kaum kommerziell genutzt
Zu möglichen „Gewinnern“ des globalen Klima­ wandels könnte auch die Fischerei gehören, denn in den subarktisch­borealen Gebieten sind einige der größten Fischereien weltweit zu finden. Wenn das Arktiseis zurückgeht und die Primärproduktion pelagischer Mikroalgen im derzeit noch benthisch dominierten arktischen Nahrungsnetz an Bedeutung gewinnt, könnten die Bestände von Kabeljau, Cape­ lin und Hering zunehmen. Noch ist das Spekulation,
weil die Erwärmung der Meere auch negative Fol­ gen für Fische und Fischerei haben kann. Etwa wenn sie den Verlauf und die Stärke von Meeresströmun­ gen verändert, die Wanderungen und Verbreitungs­ grenzen der Fischbestände modifiziert oder wenn thermische Schichtungen der Wassersäule zum Sauerstoffmangel in der Tiefe führen. Schon klei­ ne Verschiebungen in den Nahrungsketten können den Wettbewerb um die Nahrung beeinflussen, was sich dann in den Wachstumsraten, der Sterblich­ keit und räumlichen Verteilung der Fischbestände niederschlägt.
Obwohl man erstaunlich wenig über die Fauna und Flora der Arktis und ihre Reaktion auf die Klimaer­ wärmung weiß, ist allgemein bekannt, dass die Tier­ und Pflanzenarten in arktischen Gewässern mit ra­ schen Veränderungen ihrer Umwelt eher schlecht zurechtkommen. Sie sind seit Jahrmillionen an eine Umgebung angepasst, die durch niedrige Tempe­ raturen und geringe Temperaturschwankungen ge­ prägt ist. Mit Ausnahme der Polardorsche leben die meisten Fischarten am Boden und sind zudem weit­ gehend standorttreu, was sie besonders störanfällig gegenüber Klimawandel und Fischerei macht. Bis­ lang wurden 633 Fischarten im Arktischen Ozean
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ARKTIS
 Je näher die wirtschaftliche Nutzung der Ark­ tis rückt, desto dringlicher wird ein verbindlicher Rechtsrahmen, eine vernünftige Governance, für dieses Gebiet.
 MOSAiC-Expedition
Die größte Forschungsexpedition in die Arktis
Es war die größte Arktisexpedition aller Zeiten: Von September 2019 bis Oktober 2020 driftete der deutsche Forschungseisbrecher Polar- stern eingefroren durch das Nordpolarmeer. Insgesamt waren während der Expedition über mehrere Phasen verteilt mehr als 600 Per- sonen in der zentralen Arktis tätig. Erstmals wurde dabei mit einem modernen Forschungs- eisbrecher die direkte Umgebung des Nordpols auch im Winter und Frühjahr erreicht. Auf der MOSAiC-Expedition (Multidisciplinary drifting Observatory for the Study of Arctic Climate
– „Multidiziplinäres Driftobservatorium zur Untersuchung des Arktisklimas“) erforschten Wissenschaftler aus 20 Nationen die Arktis
im Jahresverlauf, angeleitet vom deutschen Alfred-Wegener-Institut (AWI). Ziel der Expe- dition war es, den Einfluss der Arktis auf das globale Klima besser zu verstehen. Sie war da- mit ein Meilenstein für die Klimaforschung, ihre Daten werden wertvoll für Generationen sein.
Erstmals wurde bei der Expedition mit einem modernen Forschungseisbrecher die direkte Umgebung des Nordpols auch im Winter und Frühjahr erreicht.
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FischMagazin 11/2021 63
FOTO: ALFRED-WEGENER-INSTITUT / STEFAN HENDRICKS


















































































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