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FischMagazin 8/2021 45
AUSTERN
 Nahrung, Schutz und sind zudem eine wertvolle Kin­ derstube für viele Fische.
Ende 2017 schufen 65 Experten aus zehn Ländern Europas auf einem Workshop in Berlin ein europa­ weites Netzwerk, das sich die Wiederansiedlung und Bestandsstärkung der Europäischen Auster (Ostrea edulis) in der Nordsee zum Ziel gesetzt hat. Sie grün­ deten die Native Oyster Restoration Alliance (NO­ RA) und formulierten wesentliche Kernziele für ihre Arbeit:
n Aufbau von Austernzuchtbetrieben zur Produktion von Jungaustern, um die wenigen verbliebenen Wildbestände durch Entnahme von Saataustern für Ansiedlungsprojekte nicht noch weiter zu schwächen.
n Suche nach geeigneten Meeresgebieten, die für Wiederansiedlungsprojekte in Betracht kommen.
n Monitoring der Bestandsentwicklung und der Begleitfauna mit international abgestimmten Methoden.
n Sicherung und Erhalt der genetischen Variabilität der Austernbestände.
Forschungsprojekt soll die Wiederansiedlung unterstützen
In Deutschland läuft bereits seit 2016 das vom Bun­ desamt für Naturschutz (BfN) mit 854.000 Euro ge­ förderte Projekt RESTORE zur Wiederansiedlung der Europäischen Auster, die seit den 1930er Jahren in der Nordsee weitgehend verschollen ist. Im Rah­ men dieses Projektes begann das BfN gemeinsam mit Wissenschaftlern des Alfred­Wegener­Instituts und des Helmholtz­Zentrums für Polar­ und Meeres­ forschung (AWI) nach geeigneten Standorten für den testweisen Besatz mit Austernsaat zu suchen. Derzeit favorisieren sie dafür drei Natura 2000­Schutzge­ biete: Borkum­Riffgrund und Sylter Außenriff, pers­ pektivisch möglicherweise auch die weiter entfernte Doggerbank. Im Rahmen des Projektes PROCEED sollen größere Mengen an jungen, gesunden Saat­ austern für die Besatzmaßnahmen erzeugt werden. Dafür wurde Anfang 2019 auf Helgoland mit dem Bau einer Austern­Aufzuchtanlage begonnen, die schon im Testbetrieb erste Nachzuchten geliefert hat. Die­ se Austernsaat war der Grundstock für die europa­ weit erste Restaurationsmaßnahme in einem Natura 2000­Naturschutzgebiet im offenen Meer.
Ende Juli 2020 wurde im Borkum Riffgrund eine 200 Quadratmeter große Kalksteinschüttung in 30 Meter Tiefe auf dem Meeresboden ausgebracht, die zum Substrat für die Wiederansiedlung der
Europäischen Auster werden soll. Danach pflanzten Taucher lebende Austern direkt auf dieser Fläche sowie auf Kalksteinen und Sandsteinblöcken aus, die das „Pilotriff“, gewissermaßen der „Initialkeim“ für die Neubesiedlung des Gebietes sein sollen. Wissenschaftler werden das Gebiet in den nächsten Jahren regelmäßig aufsuchen und alle Entwicklun­ gen und Veränderungen akribisch dokumentieren. Hauptsächlich geht es dabei natürlich um die Fit­ ness, den Gesundheitszustand und das Wachstum der Austern im Verlaufe des Projektes. Die Ergeb­ nisse beeinflussen auch die Auswahl der Materia­ lien, die bei der Ausbringung weiterer Flächen im Offshore­Bereich als Untergrund für die Ansiedlung der Austern dienen können. Als Standorte für wei­ tere biogene Riffe eignen sich vermutlich auch die Sperrzonen am Rande von Windparks. Angeblich werden dazu schon Gespräche mit drei Windpark­ betreibern geführt.
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In Frankreich, Belgien und Spanien nimmt man das „halbe Dutzend“ gerne als Entree im mehrgängigen Menü oder am Imbissstand als kleinen Snack zu sich, in Deutschland sind viele diesbezüglich noch deutlich zurückhaltender.
Die beteiligten Wissenschaftler bewerten den bis­ herigen Projektverlauf, insbesondere die großflä­ chige Umsetzung der Besatz­ und Meeresnatur­ schutzmaßnahme als großen Erfolg und hoffen, dass bereits in wenigen Jahren erste ökologische Effekte nachweisbar sind. Der Optimismus ist zwar verständlich, doch der Ausgang des Experimentes bleibt ungewiss. Gut möglich, dass die in der Nord­ see driftenden Larven der Pazifischen Felsenauster das neue Substrat ebenfalls attraktiv finden und sich dort ansiedeln. Ob sich der erwünschte Bestand von Europäischen Austern gegen die konkurrenzstarke pazifische Art behaupten kann, ist aber längst nicht erwiesen. mk
Anfang 2019 wurde auf Helgoland mit dem Bau einer Austern­Auf­ zuchtanlage begonnen, die schon im Test­ betrieb erste Nachzuchten geliefert hat.
 

















































































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