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 LACHS
  FAKTENCHECK
n BEHAUPTUNG
Jaenicke berichtet
im Zusammenhang mit der Bekämpfung von Seeläusen nur über chemische Therapi- en. Vermutlich, weil Chemi- kalien gut zum negativen Bild der Aquakultur passen.
n WAHRHEIT
Es gibt zahlreiche alternative Maßnahmen zur Seelausbe- kämpfung (ausführlich lesen Sie darüber in der September- Ausgabe von FischMagazin), die stark an Bedeutung ge- winnen, aber mit keinem Wort erwähnt werden.
Sauerstoff und suspendierte Feststoffe. Dave Stover, der Manager von Browns Bay, betont, dass man die bestmögliche Technologie ins­ talliert und so verbessert habe, dass sämtliche Mikroproteine aus dem Blutwasser, das 15 bis 18 Prozent des gesamten Abwassers der Lachsver­ arbeitung ausmacht, entfernt werden können. Das abfließende Wasser habe zwar immer noch eine trübe, grau­gelbliche Farbe, sei aber unbe­ denklich. Stover hat versprochen, alle Abwas­ serdaten den Behörden und der Öffentlichkeit zugänglich zu machen.
Diese Entwicklungen und Fortschritte werden im Film des ZDF komplett verschwiegen, was den Eindruck einer höchst einseitigen Darstel­ lung zusätzlich verstärkt. Jaenicke positioniert sich unverhohlen gegen die Aquakultur. Dabei wird ihre Bedeutung für den Wildlachsbestand übersehen (oder bewusst verschwiegen?), denn ohne regelmäßige Nachzuchten (cap­ ture­based aquaculture) sähe die Situation der Lachse im Nordpazifik viel dramatischer aus. Seit 1993 werden im Durchschnitt jedes Jahr fünf Milliarden Junglachse künstlich erbrütet und freigesetzt, um den Bestand aufzufüllen und annähernd stabil zu halten. 2019 stammten 44 Prozent des Besatzes aus den USA, haupt­ sächlich aus Alaska, gefolgt von Japan mit 34 Prozent, Russland mit 17 Prozent und fünf Prozent aus Kanada.
Fehlendes Wissen führt zu falschen Schlussfolgerungen
Hannes Jaenicke versucht nicht mal, seine Voreingenommenheit gegenüber der Aqua­ kultur zu verbergen. Wer sich trotz geringer Kompetenzen auf diesem Gebiet ein so ver­ nichtendes Urteil über den Wirtschaftszweig anmaßt, der ganz entscheidend zur Welter­ nährung beiträgt, braucht schon eine gehöri­ ge Portion Unverfrorenheit. Jaenickes geringes Wissen über die Aquakultur wird in mehreren Szenen des TV­Films deutlich. Beim Besuch ei­ ner Hatchery von Grieg Seafood in Norwegen erklärt er zum Beispiel: „Obwohl sie genetisch optimiert sind, kommt es oft zu Fehlentwick­ lungen, tote oder deformierte Babys werden abgesaugt und entsorgt“. Offenbar ist ihm über­ haupt nicht bewusst, wie hoch die Sterblichkeit der Eier und Lachsembryonen in natürlichen Laichgewässern ist. Nach Reisenbichler et al. überleben in Aquakulturen 85 bis 95 Prozent der Eier bis zum Smoltstadium, in natürlichen
Gewässern beträgt die Erfolgsrate hingegen nur 1 bis 5 Prozent. Weil in der Aquakultur unter Obhut des Menschen viele Mortalitätsfaktoren ausgeschaltet sind, schwimmen hin und wie­ der auch mal deformierte Fische in den Netz­ gehegen. In der freien Natur wären sie längst verhungert oder Fressfeinden zum Opfer ge­ fallen, in den Farmen haben sie viel höhere Überlebenschancen.
Jaenickes Erklärung „Netze werden konstant mit blauem Licht bestrahlt, so wachsen die Lachse schneller“ beim Besuch einer norwegi­ schen Lachsfarm, der die Profitgier der Branche bestätigen soll, ist nur ein Teil der Wahrheit. Unterwasserlichter fördern zwar auch schnel­ leres Wachstum und eine effektivere Futter­ verwertung, dienen jedoch vor allem dazu, die vorzeitige Reifung der Fische zu hemmen, weil das die Fleischqualität mindert. Jaenicke stört es nicht, wenn sich manche seiner Aussagen wi­ dersprechen. Während er am Anfang des Films wilde Lachse noch überschwänglich als sprin­ gende Muskelpakete bewundert, die fast jedes Hindernis überwinden, argwöhnt er später in der Lachsfarm: „Irgendetwas scheint nicht zu stimmen... ungewöhnlich viele Lachse sind
Im Film wurden
schon mal Fakten aus dem Zusammenhang gerissen, bewusst verkürzt oder einseitig, manchmal sogar falsch dargestellt.
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FischMagazin 8/2020 29
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Die Wildlachsfischerei im Nordpazifik ist immer noch höchst ertragreich. Trotz gewisser Schwankungen variieren die durchschnittli- chen Jahresfänge um 800.000 Tonnen.
















































































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