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 LACHS
 aus mehr aber an den Haaren herbeigezogen oder schlicht und ergreifend falsch. Wie die Be­ hauptung, dass Norwegens Fischindustrie fern der Heimat alles mache, was zu Hause verbo­ ten sei, und die dortige Lachsaquakultur nach „Kolonialherren­Art“ kontrolliere. Sind wirk­ lich Norwegen und Lachse daran schuld, wenn eine Reinigungskraft in einem chilenischen Verarbeitungsbetrieb in eine laufende Maschi­ ne greift und dadurch einen Finger verliert ?
Ziel des Films stand schon vor Drehbeginn fest
Der ZDF­Beitrag „Im Einsatz für den Lachs“ war da schon geschickter geschnitten, denn er ver­ suchte, die Zuschauer emotional anzusprechen. Laut Werbetext des Senders war es ein „aufrüt­ telnder Film“, in dem Judith Adlhoch, Eva­Maria Gfirtner und der Schauspieler Hannes Jaenicke zum Rundumschlag gegen die Wildlachsfische­ rei und Lachsaquakultur ausholen. Das ZDF hob besonders hervor, dass Jaenicke nach sei­ nen „Recherchen“ den Zuschauern empfiehlt, keinen Lachs mehr zu essen. Recherchen? In Wirklichkeit traf sich Jaenicke vor allem mit Lachsgegnern und Umweltaktivisten von Alex­ andra Morton bis Ruben Oddekalv, um sich von ihnen seine negative Meinung und die Vorurtei­ le über die kommerzielle Nutzung von Lachsen bestätigen zu lassen. Das Ziel des Films stand wohl schon vor Drehbeginn fest. Dafür wurden schon mal Fakten aus dem Zusammenhang ge­ rissen, bewusst verkürzt oder einseitig, manch­ mal sogar falsch dargestellt.
Vom „Aussterben der Lachse“ kann keine Rede sein
Jaenicke behauptet, „der echte, der wilde Lachs sei vom Aussterben bedroht“ (gibt es auch ‚un­ echten‘ Lachs ?). Obwohl die Lachsbestände im Nordpazifik im letzten Jahrzehnt leicht zurück­ gegangen sind, liegen die Lachsfänge auf einem Allzeithoch. Die North Pacific Anadromous Fish Commission (NPAFC) fasst seit 30 Jahren die gemeldeten Lachsmengen und ­fänge ih­ rer fünf Mitgliedsländer (Kanada, Japan, Ko­ rea, Russland, USA) zusammen. 2018 meldete sie Gesamtlachsfänge von knapp einer Million Tonnen, mehr als 651 Millionen Fische. 63 Pro­ zent (676.200 t) davon entfielen auf Russland, 27 Prozent auf die USA, den Rest teilten sich die anderen drei Nationen. Vom „Aussterben der Lachse“ kann überhaupt keine Rede sein.
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Wie passt das zum Befund der Biologin Dr. Alexandra Morton, die seit 5 Jahren einen Rückgang, vor allem bei Buckellachsen, be­ obachtet? Es gibt tatsächlich Rückgänge und Schwankungen bei einzelnen Lachsarten und ­beständen, die nicht allein Kanada betreffen, sondern überall im Nordpazifik registriert wer­ den. Aktuell liegt zum Beispiel die Anzahl der Buckellachs­Rückkehrer in vielen Laichflüssen deutlich unter dem historischen Durchschnitt. Russland hat seine Wildlachs­Quote für 2020 um 23 Prozent gegenüber 2019 abgesenkt. Alas­ ka erwartet 2020 in der Bristol Bay rund 14% we­ niger Sockeyes als im Vorjahr.
Wer sich trotz geringer Kompetenzen auf diesem Gebiet
ein so vernichtendes Urteil über den Wirt- schaftszweig anmaßt, braucht schon eine gehörige Portion Unverfrorenheit.
 Einige Lachsfarmen an der Küste von British Columbia wurden bereits geschlossen, weil sie zu nahe an den Wanderwegen der Wildlachse lagen.
Fakten unterdrückt, Zusammenhänge falsch dargestellt
Verantwortlich dafür sind, behauptet Jaenicke, „Fangflotten mit riesigen Netzen, fast die Hälf­ te des weltweiten Fanges verendet als sinnloser Beifang“. Laut FAO (Technical Paper 633), die 2019 eine aktualisierte Schätzung der globa­ len Rückwürfe nach Bewertung von über 2 000 Fischereien weltweit publiziert hat, lagen die jährlichen Rückwürfe zwischen 2010 und 2014 bei durchschnittlich 9,1 Millionen Tonnen. Das entspricht ungefähr 10% der globalen Fang­ menge und nicht, wie Jaenicke uns glauben machen will, „fast der Hälfte“.
 FAKTENCHECK
n BEHAUPTUNG Jaenicke:
„Fast die Hälfte des weltweiten Fanges verendet als sinnloser Beifang.“
n WAHRHEIT
Die FAO bezifferte 2019
die Menge der Rückwürfe auf ungefähr 10% der globalen Fangmenge und nicht, wie Jaenicke uns glauben machen will, auf „fast die Hälfte“.
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FischMagazin 8/2020 25














































































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