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verlief der Wechsel bei uns sehr harmo- nisch und behutsam. Ich konnte weiter- hin meinen Aufgaben als Konstrukteur und Ideengeber nachgehen und wusste dabei, dass meine Töchter die betriebs- wirtschaftlichen Dinge jederzeit im Griff haben. Auch meine Töchter waren zu- frieden, weil sie den Schritt in das Fa- milienunternehmen wählten und nicht in ein x-beliebiges anderes. Wir hatten keine Bruchkante. Es war vielmehr eine sehr flüssige Stabübergabe, die zur Kon- tinuität des Unternehmens und zur Zu- friedenheit aller Familienmitglieder bis heute beigetragen hat. Weder musste jemand gehen, noch hat irgendjemand von uns gegenüber dem anderen ir- gendwelche Ansprüche erhoben.
Haja Thielemann: Das gesamte Wissen, das unser Vater über Jahrzehnte erwor- ben hat, konnte er über einen längeren Zeitraum an uns weitergeben. Deswe- gen konnten wir sehr viel von ihm ler- nen und profitieren davon bis heute. So konnten sich bei uns absolut gesunde Strukturen entwickeln. Des Weiteren hat jeder seinen klar definierten Aufgaben- bereich. Daher kommen wir uns auch nicht gegenseitig ins Gehege. Jeder von uns weiß genau, was er zu tun hat. Unser Vater hat nach wie vor den kreativen Part und entwickelt weiter Ideen für unsere Schneidemaschinen, meine Schwester leitet den maschinenbautechnischen Bereich und ich die Handelsgeschäfte sowie den Kundenkontakt.
Birte Thielemann: Auch Werte sind uns vermittelt worden, solche zum Beispiel wie Verlässlichkeit, Kontinuität und Ehrlichkeit. Wir verlangen dies aber nicht nur von uns selbst, sondern auch, dass uns dies ebenfalls von unseren Ge- schäftspartnern entgegengebracht wird, da vertreten wir eine sehr konsequente Haltung.
Fleischmagazin: Herr Thielemann, wä- re jemals ein Verkauf für Sie in Betracht gekommen ?
Ulrich Thielemann: Nein, der Gedan- ke, meine eigene Firma aufzugeben, wäre mir nie in den Sinn gekommen,
zumal wir damals wie heute wirtschaft- lich sehr solide dastehen. Es war mein ausdrücklicher Wunsch, dass es in der Familie bleibt. Daher bin ich auch sehr froh darüber, dass es so gekommen ist. Ich bin zufrieden in meiner Rolle, dem Unternehmen weiterhin beratend und als Ideengeber zur Verfügung zu stehen und möchte dies auch noch solange tun, wie meine Gesundheit mir das gestattet.
Fleischmagazin: Herr Thielemann, fiel es Ihnen damals dennoch schwer, sich von Aufgaben zu trennen? Konnten Sie loslassen ?
Ulrich Thielemann: Ich muss zugeben, dass mir das anfänglich nicht ganz so leicht gefallen ist. Ich glaube aber, dass das ein völlig normales, verständliches Verhalten eines Unternehmers ist. Wer ein Unternehmen über Jahre aufbaut, der legt die Messlatte für alles, was mit dem Geschäft zusammenhängt, sehr hoch. Das ergibt sich aus der Natur der Sache. Die eigene Person und die eigene Geschäftsphilosophie wird zum Maß- stab, an dem sich alle und alles messen müssen. Ich habe aber relativ schnell ge- lernt, damit umzugehen. Ich musste er- kennen, dass andere eben auch gut ver- kaufen können und gute Ideen haben, und das ist auch absolut in Ordnung.
Fleischmagazin: Haben Sie sich in juris- tischen und steuerlichen Dingen beraten lassen ?
Birte Thielemann: Ja, und wir sind ab- solut richtig damit gefahren. Dazu wür- den wir übrigens jedem raten, der sich in ähnlicher Situation befindet wie wir damals, ganz einfach deswegen, um auf der sicheren Seite zu sein.
Fleischmagazin: Würden Sie daher alles wieder so machen ?
Ulrich Thielemann: Ja, vor allem über den von uns gewählten, langen Zeitraum.
Haja Thielemann: Das sehe ich auch so, zumal uns so ein harter Schnitt erspart blieb, weil mein Vater im Unternehmen
verblieben ist. Ich bin mir auch nicht sicher, ob ich die Betriebsübernahme überhaupt mitvollzogen hätte, weil ich ursprünglich mit dem Modebusiness aus einer ganz anderen Branche kom- me. Ohne die Erfahrung und die Rü- ckendeckung meines Vaters hätte ich mir das wahrscheinlich nicht zugetraut.
Birte Thielemann: Ich kann das nur bestätigen. Auch ich stamme mit dem Motor- und Segelbootbedarf aus einer völlig anderen Branche. Für mich per- sönlich trifft dasselbe zu.
Fleischmagazin: Was würden Sie ande- ren Unternehmen raten, die ebenfalls vor der Unternehmensübergabe stehen ?
Ulrich Thielemann: Ich würde jedem Unternehmen raten, sich so früh wie möglich mit dem Gedanken der Nach- folge auseinanderzusetzen und nicht den Zeitpunkt zu verpassen, die Über- gabe in die Wege zu leiten. Je früher, desto besser. Wer sich in der Umsetzung unsicher ist sollte besser einen festen Berater mit der Aufgabe betrauen. Vor- aussetzung für den Wechsel bleibt aber grundsätzlich, dass der das Unterneh- men Abgebende den Mut zur Überga- be findet und der oder die Nachfolger Freude an der Fortführung des Unter- nehmens haben. beh
Karriere
 Food Technology
 Food Technology Thielemann GmbH & Co. KG Blumenstraße 4
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Tel.: +49 (0) 6229 933 78 11
Fax: +49 (0) 6229 933 78 13 www.tfoodtechnology.com E-Mail: info@tfoodtechnology.com
Branche: Maschinenbau (horizontale Schneidmaschinen für die Geflügel-Industrie)
Geschäftsführer: Haja Thielemann, Birte Thielemann
Mitarbeiter: 5 (nur Verwaltung und Vertrieb)
FleischMagazin 11/2021 59








































































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