Page 55 - WRP-05-2020
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   KURZINTERVIEW
TEXTIL | LEASING Sven Schöppe, Andreas Fastenau
Geschäftsführung Leo System
„Es fehlt eine Art Pandemie-Klausel“
      WRP: Herr Fastenau, Herr bekleidung überfordert den
Schöppe, wo sehen Sie in der Corona-Krise die größten Her- ausforderungen für den Textil- service für Krankenhäuser ?
Andreas Fastenau: Es gibt ei- ne ganze Reihe von Herausfor- derungen, aber die größten in dieser Pandemie sind sicher- lich die Umsatzrückgänge bei normalen Krankenhaustexti- lien und der eklatante Mangel an Schutzausrüstung.
Wir sehen die Umsatzdelle bei 20 bis 30 Prozent, das ist für typisch mittelständische, aber auch für große Wäschereien sehr viel. Die Fixkosten können ja nicht plötzlich reduziert wer- den und drücken dann schwer auf das Betriebsergebnis. Man muss nur zum Beispiel an die wäschereieigenen Service- teams in den Krankenhäusern denken, die vor Ort für die Verteilung der Wäsche sorgen. Die sind Teil der vertraglichen Vollversorgung. Das kann nicht einfach eingespart werden.
Die Krankenhäuser haben sich auf die erwartete Welle von Co- vid-19-Erkrankungen und -pati- enten vorbereitet und dabei die normale Versorgung herunter- gefahren. Wenn man Anfang Ap- ril in ein Krankenhaus gefahren ist, waren die Parkplätze unge- wohnt leer. Viele Krankenhaus- mitarbeiter haben Überstunden abgebaut und Urlaub genom- men. Es gibt sogar Häuser, die Kurzarbeit beantragt haben.
Sven Schöppe: Die explodie- rende Nachfrage nach Schutz-
Textilservice auch, weil die Krankenhäuser und andere Stellen bei Schutzbekleidung seit mehreren Jahren fast aus- schließlich nur noch an Ein- wegprodukte denken. Aber die sind nicht das Kerngeschäft des Textilservice. Der Textil- service bietet textile Mehr- wegschutzbekleidung, die desinfizierend gewaschen und vielfach neu benutzt werden kann. Das Verständnis da- für ist im Gesundheitssektor und bei den Beschaffungsstel- len, die zum Beispiel von den Ministerien aktiviert wurden, leider kaum vorhanden. Die Ausschreibungen sind an den Einkaufspreisen orientiert und da erscheint zum Beispiel ein Einweg-Mund-Nasen-Schutz für 35 Cent preiswerter als ein Mehrweg-Mund-Nasen- Schutz für sechs Euro, der aber 60 Mal wiederverwendet werden kann. Der DTV und insbesondere sein Geschäfts- führer Andreas Schumacher bemühen sich seit Jahren, über verschiedene Arbeitskreise das Verständnis für Mehr- weg-Schutzprodukte im Ge- sundheitssektor zu erhöhen – aber das ist zäh.
WRP: Decken die üblichen Ver- tragsstrukturen die neuen Ver- hältnisse ausreichend ab ?
schreibungen und in Verträgen
werden aktuell zwar Mengen-
gerüste hinterlegt, aber das
sind Schätzwerte des aus-
schreibenden Hauses, die dem
Textilservice als Hilfe für Orga-
nisationsplanung und für die
Kalkulation gegeben werden.
Ob diese Mengen kommen ist
eine ganz andere Frage. Hier
muss der Textilservice mit dem
Krankenhaus atmen. Bei der
Abrechnung nach gelieferten
frischen Wäschestücken führt
ein Nachfragerückgang von
zum Beispiel 30 Prozent kalku-
latorisch zu großen Problemen.
Dabei geht es nicht nur um die
Deckung der aktuellen Kosten,
sondern auch darum, dass die
Amortisationszeit für die von
der Wäscherei gekauften Texti-
lien und ihre Finanzierung mit Vertrags-undKreditlaufzei-Krankenhäuser systemrele-
Fastenau: Wir meinen eher WRP: Muss bei den Sicherheits-
nicht. Es fehlt in meinen Au- gen eine Art Pandemieklau- sel, wie sie für Krankenhäuser gemäß Krankenhausentlas- tungsgesetz gilt und ein Ga- rantiebudget sichert. Bei Aus-
vorkehrungen und Standards nachgebessert werden ?
Schöppe: Aus Produktsicht se- he ich hier vor allem, dass die relevanten Normen, wie zum
ten verbunden sind, die nicht mehr eingehalten werden kön- nen.
vant ?
Fastenau: Eindeutig. Wenn man eine Intensivstation mit Beatmungsgeräten, aber keine hygienisch adäquat aufberei- teten Textilien für die Betten, Patienten, Krankenschwestern und Ärzte hat, dann kann man diese Intensivpflegestation nicht betreiben.
Beispiel die EN 14683 für me- dizinische Gesichtsmasken, nachgearbeitet werden müs- sen. Die EN 14683 ist heute ein reiner Einwegstandard, Mehr- wegprodukte sind nicht vorge- sehen. Hier können wir mehr Optionen schaffen, wenn die Norm auch Leistungsanforde- rungen für Mehrwegprodukte einschließen würde. Die EN 13795 für OP- und Schutzmän- tel wurde vor kurzem aller- dings von der Europäischen Kommission als „essentiell“ in der Bekämpfung der Corona- virus-Pandemie geadelt und vom DIN kostenfrei für interes- sierte Hersteller zur Verfügung gestellt. Ein guter Erfolg der Normenarbeit.
WRP: Ist der Textilservice für
   www.wrp-textilpflege.de
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