Page 66 - WRP-04-2020
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    KURZINTERVIEW
TEXTIL | LEASING
ging es nicht nur um Interessen der Wirtschaft, son- dern auch der Kommunen, der jüngeren Generation und der Personen, die durch die Kontakteinschrän- kungen und andere Maßnahmen gefährdet sind. Der Ausstieg erfolgt in Phasen beziehungsweise graduell. Es ist aber heute (Ende März) weder klar, wann der Ausstieg beginnen könnte, noch in welchen Etappen dies passieren wird.
Rezessionsvarianten
Vor diesem Hintergrund hat die ökonomische Poli- tikberatung durch Institute und Wirtschaftsweise un- terschiedliche Szenarien einer Rezession entwickelt. Alle Forscher, Gelehrten und Politikberater gehen von einer Rezession aus. Sie müssen mit Szenarien, das heißt mit Modellen und Annahmen arbeiten, die
    Thomas Heinen
Geschäftsführer Drei-Punkt Berufskleidung
Sprecher der BESPO-Gruppe im German Fashion Modeverband
„Große Belastungsprobe für Wertschöpfungskette“
WRP: Herr Heinen, wie sehen Sie mitten in der Corona-Krise die Entwicklung der Nachfra- ge nach Berufsbekleidung für 2020 ?
Thomas Heinen: Angesichts der starken Einschränkun- gen, die gerade von Bund und Ländern beschlossen wurden, ist mir derzeit* mehr als eine punktuelle Lagebeschreibung seriös nicht möglich. Wir leben im Moment von einem noch vorhandenen Auftragspolster, aber der Auftragseingang zeigt eine sehr deutliche Abschwä- chung. Das gilt auch für die Nachfrage aus dem Bereich der Textilserviceunternehmen.
hat für alle Zulieferer Folgen. Ein Neugeschäft ist derzeit sehr schwierig. Selbst wenn sich hier etwas anbahnen würde, kann es kaum umgesetzt wer- den. Schon allein Anproben können bei der aktuell ver- hängten Kontaktsperre nicht durchgeführt werden. Die Nachfrage nach Berufsbeklei- dung für Industrie und Handel steckt bereits in der Krise.
recht hohe Läger heute für das Funktionieren des Geschäfts erforderlich sind. Auch die Lieferketten funktionieren im Moment noch, wenn auch mit Verzögerungen. Zum Beispiel weil die Grenzen wieder kont- rolliert werden beziehungswei- se weil dort intensiver kontrol- liert wird. Aber hier habe ich große Bedenken. Schließungen in den PLV-Werken Osteuropas sind bereits angekündigt, teil- weise einfach aus Angst vor der Verbreitung des Virus. Auch be- züglich der Vorlieferanten müs- sen wir hoffen, dass sie nicht geschlossen werden oder sich so stark einschränken müssen, dass wir keine Stoffe mehr be- kommen. Insgesamt sind die Wertschöpfungsketten in einer sehr großen Belastungsprobe.
WRP: Wie sehen Sie die Interna- tionalität der Wertschöpfungs- kette in der Berufsbekleidung in den nächsten Jahren ? Kommt die Produktion zurück nach Westeuropa ?
Thomas Heinen: Die derzei- tige Krise könnte schon zu ei- ner gewissen Veränderung in der Wertschöpfungskette füh- ren, damit die Liefersicherheit beziehungsweise die Verfüg-
barkeit besser garantiert wer- den kann. Bezüglich der Pro- duktionsstandorte muss man sich aber klarmachen, dass die Lohndifferenzen zwischen Westeuropa und Südosteuro- pa oder Asien sehr hoch sind. Wenn Sie ein Produkt mit we- nigen Lohnminuten fertigen, dann kann eine Produktion in Westeuropa wirtschaftlich Sinn machen. Wenn Sie aber viele Lohnminuten benötigen, dann halten Sie das im Wettbewerb nicht durch.
Vor dem Hintergrund der jet- zigen Krisenerfahrung könnte es dazu kommen, dass die Wa- renpuffer weiter hochgefahren werden. Wichtig finde ich es auch, darüber nachzudenken, ob die Länderrisiken in der Wertschöpfungskette richtig verteilt sind. Aus dem medi- zinischen Bereich lernen wir gerade, dass einige Produkte schwer verfügbar sind, weil sie nur noch in ein oder zwei asi- atischen Ländern produziert werden. Es macht auch für die Produktion und Beschaffung von Berufsbekleidung Sinn, über die länderbezogene Risi- koverteilung nachzudenken.
*Stand 24. März 2020, die Red.
 Besonders hart hat es im Textil-
service die Spezialisten für das
Gastgewerbe getroffen. Greiff
beispielsweise hat in einer Mit-
teilung an Kunden und Partner
verkündet, dass sieben von
neun Betrieben geschlossen funktioniert in der derzeitigen
werden und auf einen Notbe- trieb umgestellt wird. Industrie und Handel wird es hoffentlich nicht so hart treffen, aber gro- ße Branchen wie die Automo- bilindustrie werden zum Pro- blem. Die Werke haben zum guten Teil geschlossen, da wird nichts mehr verbraucht, das
Krise nicht wie früher. Werden hier Strukturen dauerhaft in die Brüche gehen ? Oder ist es einfach, wieder zur Normalität zurückzukehren ?
WRP: Auch die Angebotsseite
Thomas
Heinen: sind in der
Lagerbe-
stände
noch vorhanden, einfach weil
Branche
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WRP 4 / 2020
www.wrp-textilpflege.de






























































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