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                   FISCHVERARBEITUNG
 Industriell vorgefertigte Gerichte mit Fischen und Meeresfrüchten, die sich unkompliziert und zeitsparend zubereiten lassen, gewinnen zunehmend Marktanteile.
anderen Teilen der Welt längst üblich, auch Köpfe, Mägen, Haut oder Filetab- schnitte zu verwerten. Die Einsatzmög- lichkeiten – sowohl als Lebensmittel als auch zu spezielleren Zwecken – sind außerordentlich vielfältig. Fischwürs- te, Pasteten, Kuchen, Snacks, Gelatine, Suppen und Saucen gehören dazu, aber auch Fischleder, Biokraftstoffe, Chito- san, natürliche Pigmente und Pharma- zeutika (Omega-3-Öle), Kosmetika, pro- teolytische Fischenzyme oder bioaktive Peptide.
Schon jetzt besteht auf Seiten der Le- der-, Waschmittel-, Lebensmittel- und Pharmaindustrien eine wachsende Nachfrage nach Fischenzymen, -kolla- gen und -gelatine und viele der in den Nebenprodukten enthaltenen Subs- tanzen sind noch nicht mal erschlos- sen. Wissenschaftler vermuten zum Beispiel, dass der Epidermisschleim zahlreicher Fischarten antimykoti- sche und antibakterielle Substanzen enthalten könnte. Die Hämolymphe mancher Krebse scheint als „immu- nologische Barriere“ zu wirken und bestimmte Pigmente wie Astaxanthin und deren Ester könnten aufgrund ihrer antioxidativen Effekte für medi- zinische Anwendungen geeignet sein.
Andere Meeresorganismen wie Mee- resschnecken, Schwämme, Cyano- bakterien oder Manteltiere enthalten vermutlich ebenso leistungsfähige Substanzen, die derzeit aber noch ein- gehender untersucht werden müssen. Forscher hoffen auf neue Krebsthera- pien, starke Schmerzmittel und hoch- wirksame antivirale Medikamente. Auch die Potenziale von Algen und Wasserpflanzen reichen weit über Agar, Carageen und kulinarische Ver- wendungen in der Küche hinaus, denn sie enthalten viele Mikronährstoff- mineralien (z. B. Eisen, Kalzium, Jod, Kalium und Selen), Vitamine (insbe- sondere A, C und B-12) und natürliche langkettige Omega-3-Fettsäuren. Der Begriff „Verarbeitung“ dürfte in naher Zukunft also einiges mehr umfassen als nur das Filetieren oder Räuchern eines Fisches. mk
ziemlich „festgefahren“. Rezepturen werden von den kulinarischen Tradi- tionen früherer Jahrzehnte bestimmt, echte Innovationen sind rar, das Nach- frageverhalten stagniert und hat an Dy- namik verloren. Was an neuen Food- konzepten und innovativen Impulsen zu uns dringt, stammt fast immer aus anderen Kulturen. Mit Sushi und Sa- shimi, Poké Bowls, Ceviche und selbst Fish & Chips lassen sich eben andere, jüngere Konsumentengruppen errei- chen als mit Pannfisch oder Forelle blau. Die Fischverarbeiter nutzen ihre Erfahrungen und Möglichkeiten noch viel zu wenig, um solche Foodideen in attraktive, schmackhafte und gut ver- käufliche Produkte umzusetzen.
Höhere Verarbeitung steigert auch
die Nachhaltigkeit
Die Ausweitung der Fischverarbeitung hat noch einen bedeutsamen „Nebenef- fekt“, der sich positiv auf die Nachhaltig- keit der gesamten Prozesskette auswirkt. Weil durch die Verarbeitung größere Mengen an Nebenprodukten anfallen, die in Einzelfällen zwei Drittel der Roh- waren ausmachen können, lohnt sich die wirtschaftlich sinnvolle Verwertung solcher vermeintlichen „Fischabfälle“
oft viel eher als deren „Verschwendung“ als Futtermittel in der Aquakultur oder für andere Nutz- und Haustiere. Seit mehr als zwei Jahrzehnten versuchen einige führende Fischerei- und Aqua- kulturnationen, geeignete Verarbei- tungstechnologien für Schlachtabfälle zu entwickeln und diese Ressourcen effizienter und vollständiger zu nutzen. Bezogen auf das gesamte Fischgewicht können die Mengen an Nebenproduk- te erheblich sein: allein 9 bis 12 Prozent entfallen im Schnitt auf die Köpfe, 12 bis 18 Prozent auf die Eingeweide sowie 9 bis 15 Prozent auf die knöcherne Wirbel- säule samt der daran befindlichen Grä- ten. Während wir uns in Europa noch relativ schwer damit tun, andere Teile als Loins und Filets zu essen, ist es in
In jüngerer Zeit tauchen im Handel sogar völlig neue Produktkategorien wie Algensalate auf, die hierzulande vor kurzem noch weitgehend unbe- kannt waren.
 80 FischMagazin 2/2021
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