Page 36 - FM-02_2021
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 DR. STEFAN HILGER
Geschäftsführer
Scottish Import Finefood, Eltville am Rhein
Seit dem 1. Januar ist der Brexit
da. Trotz einer Regelung sind viele Dinge nicht bis ins Detail geregelt worden, was zu Un- sicherheit geführt hat und seit der ersten Januarwoche starke Verzögerungen bei Warenein- und -ausfuhr mit sich gebracht hat. Nach jetzt drei Wochen kann man sagen: Der Handel geht weiter und das befürchtete to- tale Chaos, das bei einem harten Brexit gedroht hat, ist ausgeblieben. Nichtsdestotrotz ist es aber, gerade in den ersten Tagen, zu erheblichen Verzögerungen bei der Wareneinfuhr gekommen. Und gerade bei ultrafri- scher Ware wie Fisch zählt jeder Tag. Rückstaus an der Grenze, fehlende oder fehlerhafte Dokumente und IT- Ausfälle bei der Verzollung haben dazu geführt, dass die ersten Wochen des Jahres bei uns deutlich mehr Auf- wand erforderlich war, um diese Probleme für unsere Kunden zufriedenstellend zu lösen und dafür Sorge zu
tragen, dass unsere Kunden ihre Ware erhalten haben.
Die ersten zwei Wochen hatten wir aufgrund der oben genannten Thematik bei der Einfuhr der Ware in die EU mit Lieferverzögerungen zu kämpfen. Aktuell ha- ben wir das Thema für die großen Produktgruppen (Lachs/Räucherlachs) weitestgehend im Griff, aber es wird vermutlich noch eine Zeit dauern, bis sämtliche Produkte aus Schottland wieder in vollem Umfang ver- fügbar sind und sich die Abläufe normalisiert haben. Aber das Thema ist mittlerweile auch auf der politi- schen Agenda weit oben angekommen. Es hat schon Proteste gegeben in London von der Seafood-Industrie mit dem Ziel, hier schnell und unbürokratisch Abhil- fe zu schaffen. Wichtig ist aktuell für alle Kunden, ihre Ware hier frühzeitig vorzubestellen, denn nur so kön- nen wir sicherstellen, diese auch rechtzeitig eingeführt und dann bei den Kunden angeliefert zu bekommen. Wir sind aber zuversichtlich, dass sich das gesamte System einspielen wird. Aber alles braucht seine Zeit, um reibungslos zu laufen.
Kostenseitig sollte der Brexit mittelfristig keine größe- ren spürbaren Auswirkungen haben, da für die Ein- fuhr wenig direkte Kosten anfallen und der erhöhte bürokratische Mehraufwand von begrenzter Dauer ist. Es fallen natürlich zusätzliche Kosten an für die Seafood-Unternehmen aus Schottland, die diese aber auf Grund des Wettbewerbs mit anderen Märkten nicht weitergeben können. Auch der Wechselkurs trägt zur
Regulierung von Preisschwankungen bei, so dass sich für uns bzw. für unsere Kunden keine spürbaren Veränderungen ergeben.
Der bürokratische Mehraufwand ist bei uns mit dem bestehenden Personalbestand zu erledigen, da der Brexit im Januar in eine Zeit fällt, die generell etwas ruhiger ist. Zu einem anderen Zeitpunkt, etwa vor dem Weihnachtsgeschäft, hätte das anders ausgese- hen. Den größten Mehraufwand haben unsere Part- ner in der Logistik, die die gesamte Abwicklung steu- ern. Hier wird auch dauerhaft Mehraufwand beste- hen bleiben, der nur mit entsprechendem Personal gelöst werden kann. Der Brexit hat die Handelsreali- tät zwischen Großbritannien und der EU komplexer und teurer gemacht, aber wir sehen uns gut gewapp- net, dieser Herausforderung zu begegnen.
HINRICH WINDLER
Geschäftsführer
Columbus Spedition
Food Transport & Port Logistics Bremerhaven
Die Handelspartner sind durch den Brexit verunsichert und haben sich zum Teil auch nicht im Vorwege mit den anstehenden Än- derungen durch das Handelsabkommen befasst. Die Regelungen sind natürlich auch für die Behör- den in Großbritannien und Deutschland neu. Jeder muss sich erst darauf einstellen, und das sogenannte Drei-Stufen-Modell mit weiteren Änderungen bzw. Anpassungen in der Abwicklung ab 1. April und 1. Ju- li 2021 sorgt auch nicht unbedingt für Klarheit. Der Warenfluss ist auf jeden Fall gestört. Ich bin mir aber sicher, dass dies nur eine vorübergehende Phase sein wird. Die Vorbereitung der Dokumente mit den notwendigen Angaben und Unterlagen erfordert im ersten Schritt etwas Aufwand, aber das wird sicher- lich zunehmend zur Routine werden. Auch mit an- deren Nicht-EU-Staaten gibt es Handelsabkommen, die eine bürokratische Abwicklung zu Grunde legen und doch läuft der Warenverkehr reibungslos. Der zusätzliche Aufwand und die zeitliche Verzögerung müssen nur entsprechend in der Preisfindung be- rücksichtigt werden. Wir stehen mit unseren Erfah- rungen in der Export- und Importabwicklung mit Nicht-EU-Staaten bereit und unterstützen die Kun- den gerne bei der Export- und Import-Zollabwick- lung und bieten die gewohnten Transportdienstleis-
tungen an.
IMPORT/EXPORT
 Stimmen zum Brexit aus der Fischwirtschaft
     38 FischMagazin 2/2021
www.fischmagazin.de















































































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