Page 41 - FL_06-2021
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   Soldatenfliege, europäische Wander­ heuschrecke, Getreideschimmelkäfer und westliche Honigbiene. Die europäi­ sche Zulassung und Freigabe (Union list of novel foods in accordance with Regu­ lation (EU) 2015/2283) steht auch heute, zwei Jahre später, noch aus. Nur für den gelben Mehlwurm Tenebrio molitor hat das französische Unternehmen Ynsect am 1. Mai 2021 die EU­weite Zulassung erhalten und damit einen fünfjährigen Wettbewerbsvorteil.
Technologisch konnte mehrfach gezeigt werden, dass Insektenprotein eine gute Basis oder Ergänzung zu pflanzenba­ sierten Rohstoffen bei der Produktion von Fleischalternativen sein kann. Nur besonders fettreiche Arten können zu Verklebungen und damit Betriebsstö­ rungen führen, sie müssen daher vor dem Einsatz entfettet werden.
Die Zugabe von 15 bis 40 % Insekten­ proteinkonzentrat (Getreideschim­ melkäfer, Alphitobius diaperinus und Mehlwurm, Tenebrio molitor) konnte beispielsweise die gleiche Fleischtex­ tur wie ein 100 % Sojakonzentrat erzeu­ gen. Je höher die Extrudertemperatur war, umso stabiler das Proteintexturat. Das Optimum wurde für 40 % Insek­ tenprotein am Gesamtmix und einer Extruderkammertemperatur von 170 °C erreicht. Dieses Ergebnis und viele wei­ tere Studien demonstrieren das Po­ tenzial von Insekten als unsichtbaren Rohstoff in proteinreichen texturierten Fleischalternativen.
Für einen Erfolg der Insekten ist aber neben der technologischen Eignung und der ernährungsphysiologischen Qualität mitentscheidend, ob die sozia­ le Akzeptanz des Verzehrs erhöht wer­ den kann. 2019 konnten sich in einer Umfrage in Deutschland, Österreich und der Schweiz nur 17 % der Befrag­ ten vorstellen, Insekten zu essen. 51 % antworteten mit „Nein, definitiv nicht“.
Bacon aus Einzellerprotein.
2016 zeigten sich in einer Umfrage des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR) sogar nur 10 % aufgeschlossen. Hauptgründe für die Skepsis sind der unbekannte Geschmack und das unap­ petitliche Äußere. Zu tief sitzt offenbar die jahrhundertealte kulturelle Vorstel­ lung, nach der Insekten ausschließlich als Schädlinge und Zeichen des Ver­ derbs zu betrachten sind. Auch wenn die Insekten im Produkt nicht sichtbar sind, so lässt ein Blick auf die Deklara­ tion doch keinen Zweifel, eine entspre­ chend sorgfältig gewählte Kommuni­ kation ist daher bei der Vermarktung an den Endverbraucher unbedingt zu empfehlen.
Zweifel sind auch angebracht, ob der Einsatz von Insekten im Vergleich zu
Fleisch tatsächlich immer einen signi­ fikant besseren ökologischen Foot­Print mit sich bringt. Die industrielle Haltung und die Produktion von Insektenprote­ in ist bisher zwar prinzipiell auf gerin­ gerem Raum darstellbar, aber die Her­ ausforderungen bezüglich der benötig­ ten Futtermittel, die für die Insekten in ausreichender Form und standardisiert zur Verfügung stehen müssen sowie das Entsorgen von Abfallstoffen aus der Zucht sind bislang in Nachhaltigkeits­ analysen nicht immer berücksichtigt worden. Es entstehen bei der industri­ ellen Insektenproduktion hohe Men­ gen Ammoniak und Kohlendioxid sowie Schwefelverbindungen und Pheromo­ ne, die entsorgt werden müssen. Für die Zucht wird zudem relativ viel Energie benötigt.
FleischMagazin 6/2021 41


























































































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