Page 154 - BTH-07_2023
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 Nachhaltigkeit
  „Wirkt. Nachhaltig“ und „Climate Partner-
zertifiziert“ – zwei wichtige Zertifizierer haben das Wort
„klimaneutral“ bereits ersetzt.
Logo: Climate Partner
154 BTH Heimtex 7-8/2023
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Begriff „klimaneutral“ wird zum Auslaufmodell
Am Begriff „klimaneutral“ gibt es viel Kritik. Die Deutsche Umwelthilfe klagt gegen Unternehmen, die mit ihm werben. Die EU bereitet strenge Vorschriften für die Verwendung vor. Große Zertifizierer benutzen ihn schon jetzt nicht mehr.
Die Regale sind voll mit klimaneutralen Produkten von klimaneutralen Herstellern. Bei nahezu allen Firmen und den allermeisten Waren ist das aber nur möglich, wenn derzeit nicht vermeidbare Treib- hausgasemissionen über Kompensationsmaßnahmen und den Kauf entsprechender Zertifikate ausgeglichen werden (siehe BTH Heimtex 11/21). Diese Tatsache wird in der Werbung gerne verschwiegen und so geht unter anderem die Deutsche Umwelthilfe gegen Fir- men vor, die aus ihrer Sicht die Verbraucherinnen und Verbraucher an der Nase herumführen. Eine erste Kla- ge die Drogeriekette Rossmann war bereits erfolgreich, weitere sind anhängig.
Mit dem Kauf von Klimazertifikaten werden weltweit Projekte finanziert, die Treibhausgase binden oder gar nicht erst entstehen lassen. Dieser positive Effekt wird mit den eigenen Emissionen verrechnet – physikalisch gesehen und in der Theorie ist da absolut in Ordnung, rechtlich auch. Aber inzwischen stehen viele der ge- förderten Projekte in der Kritik. Neben dem Vorwurf mangelnder Nachprüfbarkeit gibt es Vorbehalte hin- sichtlich der Wirksamkeit, der Langfristigkeit und der Zusätzlichkeit. Schon wenn einer der letztgenannten drei Faktoren nicht mehr gegeben ist, ist der ge- wünschte Effekt dahin. Das ist schlecht für’s Klima und schlecht für die Firmen, die die Zertifikate gekauft haben: Klimaneutral sind sie oder ihre Produkte dann
nämlich nicht mehr. Und dürfen das in ihrer Werbung auch nicht behaupten.
Der EU ist der Umgang mit dem Begriff ebenfalls ein Dorn im Auge. Zwei Gesetzesvorlagen gegen unter- schiedliche Formen des Greenwashings haben bereits das Parlament passiert. Die eine untersagt es, Produk- te klimaneutral zu nennen, wenn dies ausschließlich durch Kompensation erreicht wird. Die andere verlangt, dass sich Unternehmen nur noch als klimaneutral be- zeichnen dürfen, wenn sie das wissenschaftlich fun- diert und überprüfbar belegen können. Eine unabhän- gige Überwachung solcher Aussagen ist geplant. Gelten soll das bereits in der Ankündigungsphase, etwa wenn eine Firma verspricht, bis 2030 klimaneutral zu sein.
Die Gesetze müssen noch von Europäischen Rat ver- abschiedet werden, Änderungen sind noch möglich. Auf Seiten der Dienstleister, die Firmen bei der Kom- pensation beraten und zertifizieren, hat man sich aber bereits neu orientiert. Zwei bekannte Anbieter schaf- fen ihre Klimaneutral-Label ab: Bei My Climate heißt es künftig „Wirkt. Nachhaltig“. Climate Partner erklärt zu seiner neuen Zertifizierung: „Das Label ,Climate Partner-zertifiziert’ verzichtet bewusst auf einen Claim wie ,klimaneutral’ und stellt stattdessen den komplet- ten Prozess hinter dem Klimaschutzengagement eines Unternehmens in den Mittelpunkt.“
Foto: Mildlee, Unsplash
          



















































































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