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Interview des Monats
             wird in Asien zu massiven Einbrüchen führen.
Haustex: Welche Konsequenzen spüren Sie konkret ?
Bußkamp: Unsere Strukturen laufen zu hundert Prozent, so lange wir genug Ma- terial haben. Noch haben wir Vorräte, weil wir ein Unternehmen sind, das sich immer erlauben konnte, große Vorräte zu halten. Das hilft in diesem Moment, aber irgendwann ist auch das größte Lager einmal leer. Es gibt in China jetzt gewisse Kapazitätseinschränkungen. Bestimmte Stoffe etwa, die wir für die Encasing-Pro- duktion benötigen, werden jetzt genutzt, um daraus beispielsweise OP-Kittel her- zustellen.
Haustex: Welche Folgen hat das für Sie ?
Bußkamp: Wir sind momentan damit be- schäftigt, Alternativen aufzubauen, auch für Großaufträge, die wir ja haben und liefern müssen. Gleichzeitig bricht unse- re Kostenstruktur ein, weil wir bestimm- te Materialien gar nicht mehr beschaffen können. Für Polypropylen-Spinnvlies ha- ben sich die Beschaffungspreise in China binnen einer Woche verzehnfacht. Wir verwenden dieses Material für Decken, Kopfkissen oder Matratzenbezüge. Also schicken wir aktuell Material von Euro- pa nach China, um es dort verarbeiten zu können. Aber auch die Kosten für die Luftfracht haben sich verfünffacht.
Haustex: Außer in China produzieren sie an verschiedenen Standorten in Europa. Deutschland, Frankreich, Litauen, Polen – überall herrschen andere Voraussetzun- gen in Zeiten der Krise. Wie haben Sie hier jeweils reagiert ?
Bußkamp: In China haben wir sofort Hygienemaßnahmen nach westlichem Standard eingeführt. Wir haben dort ja auch eine Fabrik nach westlichem Stan- dard. Sobald die Mitarbeiter wieder ar- beiten konnten, haben wir Temperatur- kontrollen eingeführt, sie haben kom- plette Schutzausrüstungen erhalten, also zwei Masken pro Tag und zusätzlich auch Schutzanzüge. In der Kantine wird ent-
raumausstattung.de
sprechend Abstand gehalten, alles läuft umschichtig. Bis heute haben wir keinen einzigen Corona-Fall in China. Wir haben alles dokumentiert und hatten damit eine sehr gute Blaupause für unsere Fabriken in Europa.
Haustex: Welche Maßnahmen greifen an diesen Standorten ?
Bußkamp: In Frankreich haben wir als erstem Produktionsstandort schon vor mehreren Wochen Masken eingeführt und auch rechtzeitig dafür gesorgt, dass ausreichend Desinfektionsmittel zur Ver- fügung stehen. Mittlerweile haben wir an allen Standorten in der Produktion und teilweise in den Büros eine Maskenpflicht eingeführt. Auch in den Büros arbeiten wir teilweise umschichtig, um im Fall des Falles schnell reagieren und den Kreis der Betroffenen eingrenzen zu können. Wir haben aber auch hier in Deutschland Mitarbeiter, die zum Beispiel aus Thai- land, Sri Lanka oder aus den Skigebieten in Österreich zurückkamen, auf unsere Kosten sofort nach Hause geschickt.
Haustex: Gab oder gibt es auch größere Ausfälle aufgrund der Pandemie ?
Bußkamp: In unserem großen Nähbe- trieb in Litauen haben wir die gleichen Maßnahmen ergriffen wie an den ande- ren Standorten. Das Land ist insgesamt relativ wenig betroffen. Deshalb waren offenbar viele Menschen dort der Mei- nung, dass die Krise bereits überstan- den sei. Nach den Osterferien kam eine Person mit Krankheitssymptomen in die Produktion, wurde von uns zum Arzt ge- schickt, dort aber nicht getestet. Das war unser Fall Null: Diese Person hat viele Kollegen angesteckt. Unsere 325 Mitar- beiter wurden daraufhin alle gestetet, 80 von ihnen waren infiziert. Die Folge war, dass der gesamte Betrieb stillstand und alle Beschäftigten für zwei Wochen in Quarantäne geschickt wurden.
Haustex: Wie hat sich das innerhalb der Gruppe ausgewirkt ?
Bußkamp: Hätten wir nicht auch an an- deren Standorten ein flexibles Set-up, hät-
ten wir nichts machen können. In Litauen werden alle Arten von Hüllen produziert, für Polsterkissen, aber auch für hochwerti- ge Matratzenbezüge, und wenn es kapazi- tätsmäßig passt auch für Massenprodukte. Die Massenprodukte haben wir auf andere Produktionsstätten umgestellt, wo wir teil- weise die Kurzarbeit wieder aufgehoben haben, um diese Produktion zu ermögli- chen. Das Geschäft der Polsterkissen und Medical-Hüllen läuft über Lagerbestände. Wenn die aufgebraucht sind, ist erst ein- mal Feierabend. Hier haben wir noch re- lativ wenige Einschränkungen.
Haustex: Die Vielzahl von Standorten ist also gerade Ihre strategische Stärke ?
Bußkamp: Ein Unternehmensberater würde das wahrscheinlich als No-Go
 Thomas Bußkamp
Thomas Bußkamp studierte in Krefeld Maschinen- bau mit der Fachrichtung Konstruktionstechnik und absolvierte gleichzeitig die Ausbildung zum Technischen Zeichner. Seine berufliche Laufbahn begann der Diplom-Ingenieur 1991 bei Lück als Assistent des Konstruktions- und Betriebslei- ters. 1996 wurde er im gleichen Unternehmen Geschäftsführer und baute das Unternehmen kon- tinuierlich zur heutigen EuroComfort Group auf. 2014 erwarb er durch ein MBO die Mehrheitsantei- le der EuroComfort Group. Seit 2017 ist Bußkamp alleiniger Inhaber der Unternehmensgruppe.
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