Page 114 - ft 03-2023
P. 114

RECHT
Fachanwalt Andreas Becker informiert
Was gilt für Mangelbeseitigung
beim eigenmächtig
modifizierten VOB/B-Vertrag ?
Die Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen, kurz VOB, ist insgesamt betrachtet ein ausgeglichenes Regelwerk, das weder den Auftraggeber noch den Auftragnehmer einseitig bevorzugt. In dem Augenblick, in dem von einer solchen ganzheitlichen Vereinbarung abgewichen wird, weil beispielsweise eine Partei die Zahlungsfrist modifiziert, bedarf die Vereinbarung einer rechtlichen Überprüfung – wie Fachanwalt Andreas Becker im folgenden Beitrag ausführt.
 Fall
Ein Auftragnehmer schloss eine vertragliche Verein- barung zur Verlegung von Teppichboden auf Basis der VOB/B ab. Das Vertragswerk stellte der Auftraggeber zur Verfügung. In dem Vertrag verlängerte er die Ge- währleistungsdauer von vier Jahren laut VOB/B auf fünf Jahre nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB). Weiterhin schloss er eine fiktive Abnahme aus. Der Auftraggeber veränderte auch die Zahlungsfristen und nahm in die vertragliche Vereinbarung auf, dass er eine Zahlungsfrist von zwei Monaten habe. In der VOB/B hingegen ist geregelt, dass die Zahlungsfrist auf die Schlussrechnung 30 Tage beträgt.
Während der Ausführung der Arbeiten kam es zu Mängeln. Der Auftraggeber forderte den Handwer- ker gemäß § 4 Abs. 7 VOB/B zur Mangelbeseitigung auf. In der Aufforderung zur Mangelbeseitigung gab er an, dass der Teppichboden in den Eckbereichen nicht richtig verklebt sei, dort würden sich die Ecken und Ränder etwas abheben. Der Auftraggeber setzte dem Verleger eine Frist von einer Woche zur Beseiti- gung der Mängel. Weiterhin drohte er an, dass er den
Vertrag kündigen würde, wenn die Mängel nicht besei- tigt würden. Der Verleger vertrat die Auffassung, dass er ein mangelfreies Werk erst zur Abnahme erbringen muss – und nicht vorher.
Der Handwerker beseitigte die Mängel der Verlegung nicht. Aus diesem Grund kündigte der Auftraggeber nach Ablauf der Frist den Werkvertrag. Der Bauherr ließ einen anderen Betrieb die Verlegearbeiten fertig- stellen. Da durch die Ersatzvornahme höhere Kosten entstanden, forderte der Auftraggeber diese von dem ursprünglichen Auftragnehmer ein. Als keine Zahlung erfolgte, klagte der Bauherr auf Zahlung.
Grundsätzlich ist es bei der Vereinbarung der VOB/B geregelt, dass bereits vor der Fertigstellung Mängelrü- gen erfolgen können. Mit einem Urteil des Bundesge- richtshofes vom 19. Januar 2023 (VII ZR 34/20) wurde festgestellt, dass eine solche Mangelrüge vor der Ab- nahme nur für den Fall ausgesprochen werden kann, wenn die VOB als Ganzes vereinbart wurde.
Ständige Rechtsprechung
Die Rechtsprechung versteht unter der „VOB-Ver- einbarung als Ganzes“, dass die VOB/B ohne jegliche Abweichung vereinbart wird. Die VOB ist insgesamt betrachtet ein ausgeglichenes Regelwerk, das weder den Auftraggeber noch den Auftragnehmer einseitig bevorzugt oder benachteiligt. In dem Augenblick, in dem von einer solchen ganzheitlichen Vereinbarung abgewichen wird, kommt es dazu, dass Regeln einge- führt werden, die eine der beiden Parteien benach- teiligt. In unserem Fall war dies die Verlängerung der
  Der Autor
Andreas Becker ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht.
Becker-Baurecht · Nienburger Str. 14 a · 30167 Hannover Tel.:0511/1231370
www.becker-baurecht.de · info@becker-baurecht.de
114 FUSSBODENTECHNIK 3 / 2023
SN-Home.de















































































   112   113   114   115   116