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Handel
    durch Corona befeuert wird. Die Pande- mie hat uns klar vor Augen geführt, dass wir in einer Welt leben, die aus Abhän- gigkeiten besteht. So denken die Men- schen viel nach – über sich selbst, die Zukunft und ganz stark über die Umwelt und das Verhalten ihr gegenüber. Es wird heute stärker hinterfragt, woher Produk- te kommen und unter welchen Bedin- gungen sie produziert werden.
Haustex: Was leiten die Kunden aus diesen Überlegungen ab ?
Stüber: Sie wünschen sich vor allem mehr Transparenz. Gleichzeitig wird aber auch Konsumverzicht zu einem Thema. Wenn etwas nicht gekauft wird, muss es vorher auch nicht hergestellt werden. Natürlich steht dies in krassem Gegensatz zu unserer wachsenden Wirt- schaft, ist aber spätestens seit den „Fri- days for Future“-Demonstrationen eine ernst zu nehmende Entwicklung.
Haustex: Beschränkt sich diese Denkweise auf die jungen Konsumenten ?
Stüber: Nein, die Sensibilisierung betrifft alle Altersgruppen, ist aber bislang nicht in allen gleichermaßen spürbar. Gerade bei modischen Produkten ist der Abwä- gungsprozess zwischen Nachhaltigkeit und Gefallen eine große Herausforde- rung.
Dr. Eva Stüber
IFH KÖLN
„Die Kundinnen und Kunden erwarten grundsätzlich eine Er- reichbarkeit auf allen Kanälen.“
Haustex: Haben Sie den Eindruck, dass diese Entwicklung nachhaltig sein wird ?
Stüber: Ja, diese Entwicklungen wer- den mit dem Ende der Pandemie nicht verschwinden, sondern sich weiter aus- breiten. Spannend ist auch, dass die Di- gitalisierung die Nachhaltigkeit befeuert, indem sie eine hohe Transparenz, neue Geschäftsmodelle und eine intensive Kommunikation hin zu den Kundinnen und Kunden möglich macht. Die gro- ße Aufgabe für Händler, aber auch für Hersteller und Lieferanten ist es nun, herauszufinden, wo die besten Ansatz- punkte in der eigenen Branche sind und diese für sich zu nutzen.
Haustex: Der derzeit viel zitierte Wertewandel der Kunden hin zu mehr Qualität und Nachhaltigkeit hat also stattgefunden.
Stüber: Ja, derzeit ist er jedoch noch unterschiedlich ausgeprägt, weil der In- formationsstand noch sehr unterschied- lich ist. Vom Thema Nachhaltigkeit füh- len sich viele Kundinnen und Kunden noch überfordert. Ich sehe hierbei aber eine rasante Entwicklung und empfehle Händlern dringend, nicht zu warten, bis Kundinnen und Kunden selber nachhal- tige Angebote fordern, sondern direkt zu reagieren.
Haustex: Ein Ratschlag sowohl
                     für Online- als auch für stationäre Haustex: Was bedeutet diese             Händler ?
   Entwicklung nun konkret für die Händler ?
Stüber: Im ersten Schritt gilt es für Händ- ler, sich mit dem Thema auseinanderzu- setzen und das eigene Geschäftsmodell entlang der Nachhaltigkeitsdimensionen zu analysieren. Am Beispiel des Sorti- ments, das für Kundinnen und Kunden der entscheidende Kontaktpunkt ist, sind Fra- gen zu klären. Zum Beispiel: Wie werden die Produkte, die ich anbiete, hergestellt und wie transportiert ? Inwieweit kann ich mit meiner Sortimentsauswahl etwa dazu beitragen, eine Kreislaufwirtschaft aufzu- bauen, und wie kommuniziere ich das am besten an meine Kundschaft ?
haustexmagazin.de
Zur Person
Dr. Eva Stüber ist Mitglied der Geschäftsleitung am Institut für Handelsforschung, IFH KÖLN. Sie betreut namhafte Unternehmen aus dem Handel und der Kon- sumgüterindustrie bei komplexen Fragestellungen rund um kunden- zentrierte Vertriebskonzepte, Digi- talisierung und Innovationen. Zu- vor war Stüber, die seit 2012 zum IFH-Team gehört, in den Funktio- nen Leiterin Research & Consulting und Senior Projektmanagerin tätig.
Stüber: Genau. Das Thema ist nicht ab- hängig von den Kanälen, über die ver- trieben wird, sondern hat universell hohe Relevanz.
Haustex: Wie sehen sie die Gewich- tung von E-Commerce und stationärem Handel aktuell ? Ist das Ende für Pure Player, also Anbieter, die sich auf einen Vertriebskanal beschränken, erreicht ?
Stüber: Die Kundinnen und Kunden er- warten grundsätzlich eine Erreichbarkeit auf allen Kanälen. Bei allen Überlegun- gen, die Händler anstellen, muss Online
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